Yeziden
Jesiden
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Yeziden)
Der Begriff Jesidentum (Jesidismus) bezeichnet eine ausschließlich unter den Kurden verbreitete pazifistisch-monotheistische Religion. Muttersprache der Jesiden (kurd. Êzidîtî) ist das nordkurdische Kurmanji. Manchmal wird im Deutschen auch die englische Schreibung „Yeziden“ gebraucht. Den Begriff Jesid leiten einige Forscher von den persischen Vokabeln "yezdan" bzw. "ezdan" ab, die Schöpfer/Gott bedeuten.
Der jesidische Glaube ist nicht missionarisch. Man wird als Jeside geboren. Grundsätzlich bedeutet die Heirat mit Andersgläubigen für Jesiden die Ausstoßung aus der Religionsgemeinschaft.
Lehre und Kosmogonie [Bearbeiten]
Die jesidische Religion ist eine monotheistische Religion, deren Wurzeln nach eigener Sicht weit vor dem Christentum liegen. In der Forschung werden verschiedene Elemente je nach Publikation erkannt – altbabylonischer Planetenkult, Sonnenverehrung eventuell aus der Mithras-Religion, Einflüsse des Zoroastrismus, jüdische (jüdische Speisegesetze und Beschneidung der Jungen), orientchristliche, besonders nestorianische (Eucharistie), mandäische, manichäische, gnostische. Viele Jesiden favorisieren heute selbst eine mindestens vorchristliche Herkunft ihrer Religion, etwa als Entwicklung aus dem altpersischen Mithras-Kult, den Kulten der Meder oder dem Zoroastrismus.
Noch im Mittelalter bekannten sich nach jesidischer Überlieferung die meisten Kurden zum Jesidentum. Unter anderem waren viele Adlige laut Şerefhan ursprünglich Jesiden.
Nach jesidischen Vorstellungen ist Gott allmächtig und erschuf die Welt. Er wäre schwach, wenn er noch eine zweite Kraft neben sich existieren lassen würde. Folglich fehlt in der jesidischen Theologie die Gestalt des Bösen. Die Jesiden sprechen den Namen des Bösen nicht aus, weil allein sein Aussprechen die Anzweiflung der Allmächtigkeit Gottes bedeuten würde. Damit einher geht auch die Vorstellung, dass der Mensch in erster Linie selbst verantwortlich für seine Taten ist. Aus jesidischer Sicht hat Gott dem Menschen die Möglichkeit gegeben, zu sehen, zu hören und zu denken. Er hat ihm den Verstand gegeben und damit die Möglichkeit, für sich den richtigen Weg zu finden.
Die Jesiden glauben, dass das Leben nicht mit dem Tod ende, sondern dass es nach einer Seelenwanderung einen neuen Zustand erreicht. Der neue Zustand ist abhängig von den Taten im vorherigen Leben. In diesem Zusammenhang spielen der „Jenseitsbruder“ (biraye achrete) für einen Mann bzw. die „Jenseitsschwester“ (chucha achrete) für eine Frau eine wichtige Rolle. Unter den Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft sucht man sich zu Lebzeiten einen Bruder bzw. eine Schwester für das Jenseits aus. Diese Wahlgeschwister übernehmen im Jenseits gegenseitig die moralische Mitverantwortung für ihre Taten, und in der Totenzeremonie „begleiten“ sie den Verstorbenen/die Verstorbene auf dem Weg zur neuen Bestimmung. Nach den jesidischen Vorstellungen bestand die Verbindung der Jenseitsgeschwister bereits im vorherigen Leben und wird im künftigen Leben weiter bestehen.
Das Jesidentum kennt keine verbindliche religiöse Schrift, wie es vergleichbar die Bibel für die Christen ist. Die Vermittlung religiöser Traditionen und Glaubensvorstellungen beruhte – bisher – ausschließlich auf mündlicher Überlieferung. In der Literatur über die Jesiden werden zwei Bücher erwähnt, das „Buch der Offenbarung“ (Kiteb-i Jilwe) und die „Schwarze Schrift“ (Meshef Resch). Von beiden Büchern sind lediglich Auszüge 1921 bekannt geworden, wobei man davon ausgehen kann, dass diese nicht in allen Teilen authentisch die Glaubensvorstellungen aller Jesiden wiedergeben. Sie gelten in der Religionswissenschaft als nachträgliche Aufzeichnungen – relativ zu der Gegenauffassung, etwa das Buch der Offenbarung sei von Scheich Adi selbst verfasst –, haben aber doch den Status heiliger Schriften. Schließlich stellen sie eine wichtige "Neuerung" für die jesidische Religion dar, war doch das Fehlen solcher Schriften einer der Gründe für die Verfolgungen im Islam. In der jesidischen Diaspora in Armenien, Georgien, Russland, USA und Deutschland hingegen ermöglicht die Verschriftlichung und Kodifizierung der ehemals mündlichen Traditionen den Erhalt der religiösen Identität.
Der Glaube wird überwiegend durch Lieder (so genannte Qewals) und Bräuche weitergegeben. Genannt sei hier das Buch von Hilmi Abbas in deutscher Sprache, er schrieb einige der bisher nur mündlich überlieferten altkurdischen Legenden nieder, im Jahre 2003 erschien es in München unter dem Titel "Das ungeschriebene Buch der Kurden". Es stellt die Schöpfungsgeschichte aus jesidischer Sicht dar und die mythische Wanderung des kurdischen Volkes von Osten in den Westen in das heutige Siedlungsgebiet.
Der Pfau ist bei den Jesiden heilig und dient als deren religiöses Symbol
Eine zentrale Bedeutung in den jesidischen Glaubensvorstellungen hat Taus-i Melek, der „Engel Pfau“, dessen Symbol – wie es der Name sagt – ein Pfau ist. Nach der jesidischen Mythologie hat er in besonderer Weise der Allmächtigkeit Gottes gehuldigt und wurde deshalb von Gott zum Oberhaupt der sieben Engel erkoren. Er nimmt eine Art Stellvertreterfunktion Gottes ein. So symbolisiert Taus-i Melek in der jesidischen Theologie nicht das Böse und ist auch kein in Ungnade gefallener Engel. Zwar wollte er sich dem Mythos nach selbst einmal zum Gott erheben, doch er bereute sein Ketzertum und büßte dafür auf der Erde. Er wurde nicht wie es behauptet wird in der Hölle verbannt, da die Jesiden nicht an die Hölle glauben. Dies ist verständlich wenn man bedenkt, dass im Jesidentum kein Teufel existiert. Der Name darf nicht einmal ausgesprochen werden, da der Existenz eines Wesen neben Gott für die Jesiden tabu ist. Seine Schuld wurde ihm schließlich vergeben, seither dient er Gott als Wächter der Welt und als Mittler zu den Menschen: Er ist der Ansprechpartner der Jesiden.
Nach der Schöpfungsgeschichte der Jesiden ist Taus-i Melek, den Gott mit sechs weiteren Engeln aus seinem Licht schuf, an der gesamten Schöpfung, an dem göttlichen Plan, aktiv beteiligt. Folglich verkörpert Taus-i Melek nicht den Widerpart in einem dualen Weltbild, sondern ist der Beweis für die Einzigartigkeit Gottes.
Die Bedeutung und die Stellung von Taus-i Melek innerhalb des jesidischen Glaubenssystems kann man nur dann verstehen, wenn man sich von der abrahamitischen Sichtweise löst: Die jesidische Vorstellung von Gut und Böse ist älter als die christliche und islamische Interpretation; eine Identifizierung mit dem gefallenen Engel (vgl. Luzifer) ist daher verfehlt. Richtiger ist es, die Negierung des Bösen im Jesidentum als eigenständigen, altiranischen Glaubensansatz zu begreifen.
Eine zweite wichtige Gestalt für die Jesiden ist der als Reformer geltende Scheich Adi aus dem 11./12. Jahrhundert. In der Religionswissenschaft wird die These vertreten, er sei mit dem sufischen Mystiker Shaikh Adî Ibn-Musafîr (1075-1162) identisch, der nach seiner Zwangsislamisierung wieder in der jesidischen Gemeinschaft eintretten wollte und deswegen von den Muslims verfolgt wurde (im Islam wird ein Austritt mit dem Tode bestrafft).
Scheich Adi ist für die Jesiden eine Inkarnation des Taus-i Melek, der kam, um das Jesidentum in einer schwierigen Zeit neu zu beleben. An seinem Grab in Lalisch findet jedes Jahr vom 6. bis 13. Oktober das „Fest der Versammlung“ (Jashne Jimaiye) statt. Jesiden aller Gemeinden aus den Siedlungs- und Lebensgebieten kommen zu diesem Fest zusammen, um ihre Gemeinschaft und ihre Verbundenheit zu bekräftigen. Häufig erschweren oder verhindern politische Umstände die Pilgerfahrt nach Lalisch, die eine Pflicht für jeden Jesiden ist. Aus Lalisch bringen die Jesiden geweihte Erde mit, die mit dem heiligen Wasser der Quelle Zemzem (in Lalisch, nicht mit dem muslimischen Zamzam zu verwechseln) zu festen Kügelchen geformt wurde. Sie gelten als „heilige Steine“ (Sing. berat) und spielen bei vielen religiösen Zeremonien eine wichtige Rolle.
Nach jesidischer Auffassung kann ein Jeside ein guter Mensch sein, aber um ein guter Mensch zu sein, muss man nicht Jeside sein. Das heißt: Das Jesidentum ist von vornherein tolerant gegenüber anderen Religionen. In einem Gebet der Jesiden heißt es: „Gott, schütze erst die 72 Völker und dann uns.“ Die Jesiden haben keine Berührungsängste mit anderen Religionsgemeinschaften. So ist z. B. das Verhältnis zwischen Jesiden und Christen, das sehr gut ist, eine Konsequenz aus der gemeinsamen Leidensgeschichte der Jesiden und Christen in den kurdischen Gebieten.
Das jesidische Kastensystem wurde von Scheich Adi, einem religiösen Anführer und Reformer, gegründet. Vor dieser Reform gab es bei den Jesiden kein Kastensystem. Hintergrund der Gründung war der Ausrottungsversuch seitens des Islams im Mittelalter an den Jesiden. Die Moslems versuchten, die Mehrzahl der Kurden, die damals Jesiden waren mit Gewalt zu islamisieren. Viele der damaligen Jesiden, die sich weigerten, wurden in Zuge der Islamisierung umgebracht und räumlich voneinander getrennt. Bei den Massakern wurden vor allem Priesterinnen und Priester umgebracht, um den Erhalt der jesidischen Religion zu schwächen. Um einen Zusammenhalt und ein Überleben der jesidischen Religion zu ermöglichen, schuf Scheikh Adi in der Not das jesidische Kastensystem.
Das jesidische Kastensystem hat kaum Ähnlichkeiten mit dem hinduistischen Kastensystem. Die einzige Gemeinsamkeit ist die Geburt in eine Kaste und das Heiratsverbot zwischen Angehörigen verschiedener Kasten. Sonst unterscheiden sich die beiden Kastensysteme stark voneinander. So ist jeder Jeside unabhängig von seiner Kastenzugehörigkeit gleich an persönlichen und wirtschaftlichen Rechten und Pflichten geboren. Kein Jeside ist aufgrung seiner Kaste besser oder schlechter als andere. Im Jesidentum kann jeder unabhängig von seiner Kaste oder Geschlecht jeden Beruf frei wählen. Die Frauen im Jesidentum sind gleichberechtigt. Sie müssen Schulen besuchen und können studieren sowie arbeiten.
Man unterscheidet hierbei zwischen der Kaste der Scheikhs, der Kaste der Pirs und der Kaste der Murids (allgemeinen jesidischen Gläubigen).
Die Scheikhs und Pirs sind religiöse Führungskräfte (Geistliche) und müssen die jesidische Religion unter den Gläubigen aufrecht halten, Zeremonien (bei Festen, jesidische Taufe bei Neugeborenen und bei Beerdigungen) durchführen, Gläubigen in der Not helfen sowie Streitereien zwischen Jesiden beseitigen.
Obwohl diese Aufgaben die Angehörigen der Scheikhs und Pirs machen müssen, gibt es einen Unterschied zwischen die beiden Kasten. Die Scheikhs haben in der Gemeinschaft noch eine administrative Aufgabe. Sie müssen bei politisch-sozialen Aufgaben für die Gemeinschaft tätig werden. Sie sind also nach außen und innen Vertreter der Gemeinschaft und müssen Probleme sowohl innerhalb, als auch außerhalb der Gemeinschaft lösen. Die Scheikhs und Pirs sind neben den Mir (Fürst, Oberhaupt der Jesiden), Priesterinnen und Priester von Lalisch, Hüter der Religion und für jeden jesidischen Gläubigen Ansprechpartner.
Die Kaste der Murid ist die dritte und größte Kaste. Die Jesiden in dieser Kaste teilen sich in Stämme, bei denen die Heirat der Angehörigen untereinander kein Problem ist. Auch diese haben Pflichten, nämlich zur Erhaltung der Religion beizutragen und sich gegenseitig in der Not zu helfen. Es ist Pflicht bei jeden Jesiden unabhängig von seiner Kaste seine Kinder religiös zu erziehen und ihnen die jesidische Kultur und Bräuche beizubringen.
Aus organisatorischen Gründen (die jesidischen Siedlungsgebiete waren und sind räumlich von einander getrennt) hat Scheikh Adi festgelegt, dass sowohl die Angehörigen der Pir als auch der Scheikh sich auf die jesidischen Stämme in Abhängigkeit zu deren Größe aufteilen sollen. So bekam jeder Stamm seine Scheikhs und Pirs. In jedem Siedlungsraum (z.B. den Dörfern, Städten oder Regionen in allen Teilen Kurdistan und im Ausland) gibt es für jede Gruppe jesidischer Gläubigen eines Stammes die zuständigen Pirs und Scheikhs. Bei Problemen können die Gläubigen sich jedoch auch an Pirs und Scheikhs wenden, die eigentlich für andere Stämme zuständig sind.
Im Jesidentum gibt es viele Stämme. Die Stämme haben Sippencharakter und sind Ergebnisse des Zusammenhalt von Nachfahren bestimmter Gründungsväter und das enge Zusammengehörigkeitsgefühl von Jesiden in bestimmten Gebieten Kurdistans. So entstanden die beiden größten Stämme, die Kiwakhi und Khalti, in der Region Kiwaxe und Khaltiye in Südostanatolien nahe der nord-ost-syrischen Grenze. Weitere Stämme sind die: Bacini, mihoki, Kharabi, Bahcholi, Kavnasi und Mazaka.
Die Angehörigen der Stämme sehen sich in der Pflicht, auch anderen Stammesangehörigen zu helfen. Die Heirat zwischen Angehörigen unterschiedlicher Stämme ist erlaubt und erwünscht.
Die Sonne ist für die Jesiden eine heilige Figur. Sie symbolisiert Leben und Stärke. Die Sonne wurde bei der Entstehung der kurdischen Flagge eingesetzt, um den Ursprung der Kurden vom Jesidentum zu verdeutlichen.
Die Jesiden lebten ursprünglich im Verbreitungsgebiet der Kurden, also vor allem im Irak, der Türkei, in Syrien und dem Iran – hier leben nur wenige Jesiden. Weiterhin siedelten sich Jesiden in Folge der Flucht vor der ersten Osmanischen Völkermordwelle an ihnen Anfang des 19. Jahrhunderts und stärker nach dem großen Völkermord des Osmanischen Reiches an Armeniern und Jesiden im ersten Weltkrieg in den ehemaligen Sowjetstaaten Armenien und Georgien. Durch Auswanderung seit den 1980er Jahren gelangten sie nach Mittel- und Westeuropa.
Es gibt keine offizielle Zählung der Jesiden. Ihre Zahl wird weltweit auf ca. 800.000 geschätzt. Den Hauptanteil stellen die irakischen Jesiden (160.000–350.000). In Deutschland leben 35.000–40.000 (viele davon in Celle), im restlichen Europa kommt noch eine etwa gleich große Zahl wie in Deutschland hinzu, also einige Zehntausend. In den USA und Kanada leben einige Tausende Jesiden meist aus dem Irak. Im Kaukasus (Armenien und Georgien), in Russland und im Iran leben einige Zehntausend und in Syrien einige Tausend, in der Türkei nur noch wenige Hundert. Die Jesiden stellen heute also unter den mehrheitlich muslimischen Kurden eine religiöse Minderheit dar.
Das Hauptverbreitungsgebiet der Jesiden ist der Nordirak. Zählungen und Schätzungen von türkischer, britischer und irakischer Seite aus den 1920er Jahren ergaben einen jesidischen Anteil von 4 % bis 7 % an den irakischen Kurden, was heute bei gleich bleibendem Anteil 160.000 bis 350.000 Personen entspräche. Manche Maximalschätzungen gehen heute von bis zu 550.000 jesidischen Gläubigen aus. Die Jesiden siedeln überwiegend westlich des Tigris. Nicht allzu weit von Mosul entfernt befindet sich Lalisch, das religiöse Zentrum der Jesiden. Nahe bei Lalisch residiert in Baadhra das weltliche und geistige Oberhaupt der Jesiden, der Mir, der auch Schaichan Mire Schaichan genannt wird.
Im Jahr 2007 nahmen die Spannungen zwischen der muslimischen Bevölkerung und den Jesiden im Irak zu. Bei einer Reihe von Selbstmordanschlägen in den Dörfern El Khatanijah und El Adnanijah bei Mossul wurden am 14. August 2007 mindestens 500 Menschen getötet und Hunderte verletzt. Diese gegen die Jesiden gerichteten Anschläge waren die folgenschwersten seit Beginn des Irakkriegs.[1]
Jesiden in der Türkei [Bearbeiten]
In den letzten 30 Jahren haben die Jesiden in großen Auswanderungswellen die Türkei verlassen. Sie lebten überwiegend in Südostanatolien. Heute befindet sich die große Mehrheit der türkischen Jesiden in Europa. In der Türkei leben laut der Volkszählung von 2000 noch 423 Jesiden, deren Altersdurchschnitt etwa 50 Jahre beträgt.
Auch in Nordsyrien, in Afrin nahe Aleppo und vor allem in Nord-Ost-Syrien gibt es Jesiden, die im Gebiet von Qamislo, Tirba Spi und in den Dörfer des Jereh-Gebietes nahe Tirba Spi leben. Die meisten leben in jesidischen Dörfern. Die Zahl der Jesiden in Syrien lag im Jahr 2000 bei 4.093. Noch im Jahr 1990 lag deren Zahl bei 12.232. Die Reduzierung deren Anzahl ist auf die verstärkte Auswanderung nach Europa (insbesondere nach Deutschland) zurückzuführen. [1]
Im Iran gibt es einige tausend Jesiden. Da im Iran - außer dem Islam - nur Christentum und Zoroastrismus (die beiden Letzteren dürfen nur mit Einschränkungen ausgeübt werden) als Religionen erlaubt sind, müssen sich die Jesiden mit ihrer Religion versteckt halten. Sie leben vor allem in Dörfern auf Bergen mit Zoroastristen zusammen, um nicht aufzufallen und diskriminiert zu werden, jedoch von diesen abgesondert. Weiterhin leben Jesiden in der Hauptstadt Teheran und in anderen größeren Städten.
Verfolgungen im Orient [Bearbeiten]
In ihren Heimatgebieten im Vorderen Orient waren und sind die Jesiden einer doppelten Verfolgung ausgesetzt: Einmal ethnisch als Kurden und zum anderen religiös, weil sie in den Augen fundamentalistischer Muslime als „Ungläubige“, „vom wahren Glauben Abgefallene“ gelten. Es wird von muslimischen Übergriffen auf die jesidische Bevölkerung berichtet. In ihren Heimatgebieten konnten die Jesiden bis vor kurzem nur öffentlich in Erscheinung treten, wenn sie ihre religiöse Identität verleugneten. In vielen Gebieten der Türkei ist das noch der Fall.
Seit Jahrzehnten werden die Jesiden in der Türkei verfolgt und unterdrückt. Als Kurden erleiden sie das gleiche Minderheitenschicksal wie muslimische Kurden. Die Geburtsurkunden jesidischer Kinder werden bewusst falsch mit der Religionsbezeichnung "Islam" ausgestellt.
In Armenien leben die Jesiden – zum größten Teil in mehrheitlich jesidischen Dörfern – ohne größere Probleme. Sie sind als eigenständige Volksgruppe anerkannt; in Personenstandsurkunden von Jesiden wird "jesidisch" als Volkszugehörigkeit eingetragen. Es gibt in Armenien auch Eheschließungen zwischen Jesiden und Angehörigen anderer Volksgruppen.
Die heutige Situation der kurdischen Gebiete im Nordirak hat für die Jesiden zum ersten Mal die Möglichkeit mit sich gebracht, auch öffentlich in Erscheinung zu treten. Inwieweit diese in den letzten Jahrhunderten für die Jesiden außerordentliche Situation von Dauer sein wird, bleibt abzuwarten. Am 14. August 2007 ereigneten sich in den ausschließlich von Jesiden bewohnten Dörfern El Khatanijah und El Adnanijah vier Anschläge mit Autobomben, die insgesamt über 500 Todesopfer und Hunderte Verletzte forderten. Ob die Gründe für die Tat politischer oder religiöser Natur waren, ist noch nicht klar.
Viele Jesiden sind auf Grund der politischen und religiösen Verfolgung durch den türkischen Staat nach Europa, v. a. nach Deutschland, aber auch Frankreich und Belgien geflohen. Der Großteil der aus der Türkei stammenden Jesiden lebt heute in Deutschland. Der Großteil der in Deutschland lebenden Jesiden hat die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen.
Jesiden in Deutschland [Bearbeiten]
Mittlerweile leben Jesiden in nennenswerter Zahl auch in Deutschland. Die Repressionen trieben sie besonders in den 1980ern insbesondere aus der Türkei zur Flucht nach Deutschland.
Der mit den Gegebenheiten vor Ort vertraute Orientalist Gernot Wießner der Universität Göttingen erwirkte mit einem Gutachten beim Verwaltungsgericht Stade 1982 die Anerkennung von Jesiden als Flüchtlinge, die sich 1993 bis zum Oberverwaltungsgericht Lüneburg allgemein durchgesetzt hat. Auf politischer Ebene bereitete 1989 Herbert Schnoor in seiner Amtszeit als Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen den Weg für ein Bleiberecht der Jesiden vor. Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker, dessen Beiratsmitglied Prof. Wießner war, hat sich als Menschenrechtsorganisation für die Jesiden eingesetzt.
In Deutschland leben etwa 35.000–40.000 Jesiden, vorwiegend in den Bundesländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wo sie häufig größere Gemeinden bilden, insbesondere in Hannover, Oldenburg, Celle, Bielefeld, Halle (Westf.) und Kalkar.
Feleknas Uca, die seit 1999 Die Linke im Europaparlament vertritt, ist Jesidin.